Donnerstag, 18. November 2010

alltägliches aus Mexico

So, die Zeit des Wartens ist vorbei, ich schreib mal wieder was :). Dass ich hier in letzter Zeit nicht so wahnsinnig präsent war liegt vor allem daran, dass mittlerweile doch so etwas wie Alltag eingekehrt ist, wenn man von den immer noch willkürlichen Arbeitszeiten & den so gut wie täglichen Geschehnissen die in die Kategorie „einmal täglich blamieren formt den Charakter“ fallen einmal absieht.

Mittlerweile haben die ersten Sportstunden für Kinder stattgefunden. Diese sollten ja eigentlich von einer Gruppe von Freiwilligen einschließlich mir gehalten werden. Im Endeffekt bestanden diese bis jetzt IMMER aus mir und 30 wild gewordenen Kindern, da alle anderen aus der Gruppe (wir wären insgesamt 6) dann doch immer plötzlich was anderes vorhatten (natürlich ganz dringend versteht sich) oder es vergessen hatten (hier ist das auch überhaupt nicht schlimm sowas zuzugeben, ich würde mir ja wenigstens noch was kreatives ausdenken ;) ). Wie ich früher schon geschrieben hab, hatten wir ja auch schon diverse Vortreffen, die ebenfalls immer nur aus Gaby als Koordinatorin und mir bestanden, weswegen ich die anderen „Freiwilligen“ teilweise noch gar nicht kenne ^^.
Da ich in Basketball (womit wir anfangen) nicht besonders beschlagen bin, soll das „Training“ eigentlich ein Doktor aus Calnali halten, der beim ersten Mal sogar gekommen ist (ja, über sowas freu ich mich mittlerweile). Beim zweiten Mal dann allerdings erstmal nicht (Absagen wird ja auch überbewertet), weswegen ich mir ein paar Übungen für Basketball aus den Fingern saugen konnte. Ich bin nach der altbewährten Methode „je fertiger die Kinder sind, desto weniger stressen sie“ vorgegangen und hab das Basketballtraining mehr oder weniger in ein Sprint-Bootcamp umgewandelt :)
Beim nächsten Mal wollte ich das den Kindern jedoch nicht mehr zumuten und bin nach den obligatorischen 30 Minuten des Wartens auf den Doktor in sein Consultorio gegangen (liegt praktischerweise um die Ecke), wo sich folgender Dialog abspielte:

Ich: „Kommen sie heute zum Basketballtraining?“
Er: „Ja wie, das wär heute?!?“
Ich: „Ja, so wie jede Woche, ich hab ihnen heut auch ne SMS geschrieben.“
Er: „Hab ich nicht bekommen!!“ schaut auf sein Handy „Aaaaah, jeeeetzt seh ich sie, hab ich nicht bemerkt, dass die gekommen ist.“
Ich: „Naja, macht ja nichts. Also kommen Sie heute?“
Er: „Ja klar, das ist um halb 5 oder?“
Ich: „Ja ne, eigentlich läufts schon seit 40 Minuten, wir fangen IMMER um 4 an ….“

Also ihr könnt euch vorstellen, wies weiterläuft, letztendlich ist er dann sogar gekommen, und das Training war echt gut und hat richtig Spaß gemacht :) Irgendwann war er dann allerdings plötzlich verschwunden und die Kinder haben mir mitgeteilt, dass er ganz plötzlich wegmusste. Wie ich bereits erwähnte, absagen/abmelden wird schließlich überbewertet ….
So viel zum Thema „Sabine und die Latino-Mentalität“, zu dem ich eigentlich 5 Blogeinträge schreiben könnte, aber ich versuch mich nicht aufzuregen und chill einfach :) esto es mexico …

Was ich außerdem mittlerweile aus diesen Sportstunden gelernt habe ist, dass mein gestählter Wurfarm (also im Ernst, ich hab echt nur ganz leicht geworfen!) für 4.-Klässler wohl zu stark ist … aber ich will es jetzt nicht dramatischer darstellen als es war, das Nasenbluten hätte auch von was anderem kommen können oder das Kind war generell anfällig ….

Da sich unsere nachmittägliche (Ball-)Spielgruppe mittlerweile rumgesprochen hat, haben wir mittlerweile auch immer das halbe Dorf als Zuschauer, die sich das auch mal anschauen wollen, das die lustige Europäerin da verzapft ;).




Ein anderes Aufgabenfeld bei meiner Arbeit, das mir mittlerweile total gut gefällt, ist die Arbeit mit der Krankenschwester in San Andres. Eigentlich fahren wir so gut wie immer in abgelegenere Comunidades, und die sind vom Lebensstandard nochmal ein paar Stufen niedriger als San Andres, was mir am Anfang schon als sehr arm erschien. Es ist wirklich etwas anderes, in Wellblechhütten (und wenn sie wenigstens Wellblech haben, gehören unsere Gastgeber schon zu den reicheren in ihrem Dorf) zu Mittag zu essen, und durch ein Dorf aus Baracken zu laufen, als mal nur schnell im Fernsehen die Bilder zu sehen. Wir als Europäer können uns gar nicht vorstellen, unter solchen Bedingungen (man lernt, immer die sanitären Anlangen im vertrauten Umfeld zu benutzen, man weiß nie was einen hier erwartet) und in einem solchen Umfeld zu leben. Hier wird mir erst richtig bewusst, wie priviligiert wir doch eigentlich sind und wie glücklich wir uns mit unserem Standard in Europa (oder generell dem „Westen“) schätzen können.
Bis jetzt habe ich bei diesen wöchentlichen Ausflügen immer die Cartillas der Leute ausgefüllt (vergleichbar mit unserem Impfpass), Diabetis gemessen oder einfach generell jegliche Hilfsarbeit gemacht, die anfiel. Bis jetzt! ;) Mittlerweile darf ich alleine Leute impfen (allerdings beschränke ich mich auf die Erwachsenen, schreiende Kinder will ich dann doch nicht auf dem Gewissen haben ;), „Problemfälle“, also Leute, die übermäßig abgemagert sind (bei nur Haut und Knochen kann das Finden einer „Impfstelle“ zum ungeahnten Problem werden) überlasse ich dann ebenfalls Mary.
Jedenfalls habe ich heute fast eine ganze Comunidad geimpft und den Sadisten in mir rausgelassen (ich steh ja auf Schmerzen … also zumindest bei anderen ;) ). Dabei habe ich aber gemerkt, dass Arzt wohl definitiv kein Beruf für mich ist (mal abgesehen davon dass ich neben dem Studium auch noch ein Leben haben will), aber mich plagen bereits den ganzen Tag Horrorgedanken, dass wegen meiner Unfähigkeit jetzt ein ganzes Dorf dahingerafft wird, weil ich irgendwelche lebenswichtigen Organe zerstochen hab (ich weiß, das ist im Oberarm unwahrscheinlich ;) ). Naja, ich hoffe einfach, dass ich wenn ich zurückkomme kein mexikanisches Bergdorf auf dem Gewissen habe ;).

Ansonsten kämpfe ich mich im Moment durch mein erstes spanisches Buch, mein Akzent sorgt immer noch für allgemeine Belustigung und der tägliche Kampf ums Essen geht ebenfalls weiter. Wobei der letzte Punkt keinesfalls als Kampf ums, als viel mehr als Kampf gegen das Essen gemeint ist. Also zumindest in meiner Familie wird eigentlich immer, überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit gegessen. „Genau mein Ding!“ …. dachte ich am Anfang. Allerdings ist es übertrieben schwer meiner Gastmutter klar zu machen, dass ich nach gefühlten 1200 g Fleisch, 500 g Reis, 6 Tortillas und 2 Tellern Sopa nicht mehr unbedingt Lust auf „nur noch ein kleines bisschen“ habe. Dann folgt der obligatorische Satz „Du magst mein Essen einfach nicht!“ worauf ich wieder mit Müh und Not beteuern muss, dass es natürlich das beste Essen meines Lebens ist, mein Magen nur einfach nicht auf diese Dimensionen ausgelegt ist. Meistens läuft es dann darauf hinaus, dass irgendein Familienmitglied (und davon hab ich hier viele ;) ) noch Quesedillas macht; sie wissen einfach wie man mich schwach macht :P



Generell kann ich sagen, dass meine Zeit hier in allen Aspekten ein Wechselbad der Gefühle ist. Am einen Tag gibt es nichts tolleres als hier in Mexico zu sein und keine besseren Momente, und am anderen überwiegt auch mal die Langeweile und mir kommt der Gedanke „wer hatte eigentlich die komische Idee mit Mexiko?!?“. Ich habe immer noch nicht entschieden, ob Mexiko das beste Land überhaupt ist (wobei das mit Australien als Konkurrent sowieso schwer ist ;) ) oder ein absolutes Chaos. Auf alle Fälle lerne ich hier, den Selbstmotivator in mir rauszulassen :). Ich will noch nicht zurück nach Deutschland (ich bin noch nicht fertig mit Mexiko ;) ), aber auf ewig hier bleiben will ich auch nicht, im Moment genieße ich einfach mein Jahr hier :).



So, das wars für heute von mir, ich hoffe beim nächsten Mal gibt’s wieder ein paar Bilder (den Text gabs ja heute schon ;) ), aber meine Camera hat wieder der Virus ereilt.
Am Samstag steigt dann die große Fiesta zum 5. Geburtstag meiner Gastnichte mit ungelogen 200 eingeladenen Kindern (nein, ich mache keine Witze!)! Und das sind nur die Kinder, mitgebrachtes Aufsichtspersonal in Form von Eltern oder anderen Verwandten noch nicht eingerechnet. Noch ist mir schleierhaft, wie die alle in unser Haus passen sollen, aber ich werd's rausfinden ;)


Bis demnächst, ich geh jetzt Bundesliga schauen (dank FOXsports kann ich das auch in Mexico ;) )
Cuidan se
Sabine

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